Piraten demonstrieren gegen neues Polizeigesetz
Am heutigen Samstag beteiligten sich die Piraten Nordbrandenburg an der Demonstration gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz in Potsdam. Im Folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag unseres Regionalvorsitzenden Thomas Ney:
Zunächst einmal möchte ich mich für Euer zahlreiches Erscheinen bedanken, und dass ich diese Demonstration mit dem ersten Redebeitrag für die Piraten Brandenburg eröffnen darf.
Die Piratenpartei tritt seit ihrer Gründung als Verteidigerin der Grundrechte auf. Umso mehr freue ich mich, dass heute auch viele andere Organisationen dem Aufruf zur Verteidigung unserer Freiheit gefolgt sind.
Wir demonstrieren heute gegen einen Gesetzentwurf, der weitreichende Einschnitte in die Grundrechte vorsieht. Unter dem Deckmantel der Gefahren des Terrorismus sollen die Befugnisse der Polizei massiv ausgeweitet werden. Zur Abstimmung steht ein Gesetzentwurf, um das uns manch autoritäres Regime beneiden würde
Das neue Polizeigesetz sieht eine Fülle an Grundrechtseingriffen vor. Ich möchte daher nur ein Beispiel herausgreifen und hoffe, dass die anderen Redebeiträge noch auf weitere Aspekte des Gesetzes eingehen werden.
Für uns Piraten fangen die Probleme bereits bei der Begriffsdefinition an. So sollen die neuen Befugnisse greifen „wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ oder „das individuelle Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet“, dass eine Person „innerhalb eines übersehbaren Zeitraums“ eine terroristische Straftat begehen wird. Unbestimmter kann ein Rechtsbegriff kaum sein. Es droht eine immer weitreichendere Vorverlagerung polizeilicher Maßnahmen.
Aus dieser Begriffsbestimmung abgeleitet werden Maßnahmen wie die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (kurz: Quellen-TKÜ). Dies bedeutet nichts anderes, als das Infizieren von Geräten mit dem Ziel, Sicherheitsmaßnahmen unbrauchbar zu machen und private Kommunikation zu überwachen. Diese Kommunikationsüberwachung bringt aber keine Sicherheit, sondern das Gegenteil davon: Sicherheitslücken, von denen niemand garantieren kann, dass sie nicht auch von Kriminellen ausgenutzt werden können.
Diese Maßnahmen erstrecken sich auch auf sogenannte Kontakt- oder Begleitpersonen. Das Prinzip lautet: Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der der Vorbereitung einer terroristischen Straftat verdächtigt wird. In einer zunehmend vernetzten Welt kennt aber jeder jeden über ein paar Ecken. Und schon ist der eigene Gefährderstatus nur eine flüchtige Bekanntschaft weit entfernt.
Das sind Maßnahmen, die ich so nur aus meiner bisherigen Arbeit mit Opfern des SED-Regimes kenne. Aus ihren persönlichen Erzählungen und Stasi-Unterlagen weiß ich, was passieren kann, wenn die Trennung polizeilicher und geheimdienstlicher Befugnisse zunehmend verwischt. Nicht auszudenken, was möglich wird, wenn diese Werkzeuge erst einmal in die falschen Hände geraten.
Dabei wächst die tatsächliche Sicherheit nicht mit immer weitreichenderen Befugnissen. Keiner von uns kennt die Geschichte von der mutigen Überwachungskamera, die sich im Angesicht der drohenden Gefahr schützend zwischen Opfer und Angreifer warf.
Selbst wenn wir immer krassere Befugnisse beschließen würden – bis hin zur gezielten Tötungen von Verdächtigen – wo kein Polizist mehr ist, da bleiben diese wirkungslos. Mit 8.000 Beamten verfügt die Brandenburger Polizei heute über so wenig Personal, wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Der eingesparte Polizist kommt auch durch neue Befugnisse nicht schneller zum Ort des Verbrechens.
Ein Beispiel dafür ist die Schleierfahndung. Diese soll mit dem neuen Gesetzentwurf ausgeweitet werden, obwohl die dafür notwendigen Ressourcen gar nicht vorhanden sind. Sie ist bereits heute im Grenzgebiet möglich, wird aber mangels Personal höchstens lückenhaft durchgeführt.
Ebenso wenig hilft es, immer höhere Datenheuberge anzuhäufen, in denen die sprichwörtliche Stecknadel gesucht werden muss. Wie häufig haben wir in der letzten Zeit gehört: „Der Täter war der Polizei bekannt“? Es mangelt also kaum an Überwachungsmaßnahmen.
Zur Beruhigung hat die Landesregierung jetzt das Feigenblatt „Richtervorbehalt“ für sich entdeckt. Man feiert sich für neuerdings für das Bekenntnis, rechtsstaatliche Minimalstandards einzuhalten. Dabei sind Richter auf jene Angaben angewiesen, die ihnen von den Ermittlungsbehörden vorgelegt werden. Sie verfügen über keinerlei eigene Erkenntnisse; eine Anhörung des Betroffenen findet nachvollziehbarerweise nicht statt. Sichtbar wird dies daran, dass ermittlungsrichterliche Beschlüsse die Formulierungen der Staatsanwaltschaften oft wortwörtlich übernehmen. Hinzu kommt auf Seiten der Justiz ein hoher Zeitdruck und mangelndes Detailwissen.
„Grundrechtsschonend“ – so heißt es – seien die Eingriffe. Aber das Wesen von Grundrechten ist es, dass sie nicht nur geschont, sondern gewahrt und geschützt werden müssen. Denn einmal geschehene Grundrechtseingriffe können nicht rückgängig gemacht werden.
Bedenken gegen das Gesetz sind lange bekannt. In Bayern laufen Verfassungsklagen gegen jenes Gesetz, welches Brandenburg als Blaupause diente. Trotzdem soll das neue Gesetz im Eilverfahren beschlossen werden. Und das, obwohl Innenminister Schröter erst im Frühjahr verkündete, Brandenburg sei sicherer geworden. Nun plötzlich muss das Gesetz wegen einer anhalten hohen Gefahr eilig beschlossen werden. Die tatsächliche Gefahr für den Innenminister ist aber wohl eher das erwartbar schlechte Abschneiden der SPD bei der kommenden Landtagswahl. Wir Piraten lehnen jedenfalls solche Wahlkampfmanöver auf Kosten der Grundrechte ab.