Eklat im Kreistag Oberhavel

Das Grundgesetz als kleine Gedächtnisstütze

Das Grundgesetz als kleine Gedächtnisstütze – Exemplare wie dieses verteilte die Piratenpartei am Mittwoch im Kreistag.

Am heutigen Mittwoch, den 27.05.2015 trat der Kreistag des Landkreises Oberhavel zur Wahl des neuen Landrats zusammen. In seinem Redebeitrag wies der Kreistagsabgeordnete der Piratenpartei, Thomas Bennühr auf die in Oberhavel seit Jahren bestehenden engen Verflechtungen zwischen SPD und CDU hin. Insbesondere kritisierte der Abgeordnete in seiner Rede (siehe unten) die personellen Vorabsprachen der Koalition, mit denen eine freie Wahl des künftigen Landrats und seiner Beigeordneten faktisch ausgehebelt und der gesamte Bewerbungsprozess ad absurdum geführt werde.

Bereits im Vorfeld hatte die Piratenpartei in Oberhavel allen Abgeordneten ein Exemplar des Grundgesetzes zukommen lassen, um sie an die Einhaltung der Gewaltenteilung zu erinnern. Alarmiert von dieser Kritik der Piraten stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Noak umgehend den Antrag, den Redebeitrag Bennührs nicht zuzulassen. Sein Parteifreund Karsten Peter Schröder entzog dem Piratenabgeordneten daraufhin in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kreistages das Wort und stellte das Mikrofon ab. Bennühr verließ daraufhin unter Protest und dem Applaus der Opposition das Rednerpult.

Die Piratenpartei Oberhavel sieht sich durch die jüngsten Vorgänge im Kreistag in ihrer Kritik bestätigt und bezeichnete die gesamte Landratswahl als Farce der regierenden Koalition aus SPD und CDU. Insbesondere in den personellen Festlegungen der Beigeordneten im Koalitionsvertrag sehen die Piraten einen klaren Verstoß gegen die Hauptsatzung des Landkreises.

Rede des Kreistagsabgeordneten Thomas Bennühr

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Sehr geehrte Abgeordnete,
Sehr geehrte Damen und Herren.

Wir sind heute hier zusammen gekommen, weil keiner der zur Wahl stehenden Kandidaten für das Amt des Landrates über das demokratische Wahlverfahren die notwendige Mehrheit erreichen konnte.

Die Wahlbeteiligung war gering, im Rahmen der Stichwahl fast schon peinlich gering. Liegt es daran, dass die Bürgerinnen und Bürger wahlmüde sind? Liegt es daran, dass es das erste Mal war, dass in Oberhavel ein Landrat oder eine Landrätin direkt durch das Volk gewählt werden sollte?

Oder liegt es daran, dass den Bewerbern und den hinter ihnen stehenden Parteien einfach nicht möglich – oder vielleicht von ihnen auch gar nicht gewollt – war in einem Maße über die Bedeutung und die Aufgaben des Amtes zu informieren, dass die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit zur Wahl erkennen konnten und wählen gingen?

Es gibt schon erste Stimmen unter den Abgeordneten, die sagten, dass man sich die Ausgaben für diese Wahl hätte sparen können. Auf gut deutsch, zu viel Demokratie behindere die Politik, man solle doch besser die Profis machen lassen.

Aber wir sind ja alle hier, um den Kandidaten und Kandidatinnen für das Amt des Landrates Gelegenheit zu geben, sich kurz vorzustellen.

Erfreulich ist, dass sich so viele Interessenten gefunden haben, die sich auf diese wichtige Position bewerben. Oberhavel ist ja auch ein Kreis, der mit gesunden Finanzen und, wie auf Bundesebene auch, von einer Groko aus SPD und CDU, fast möchte ich sagen CSPDU, politisch geprägt wird.

Nur muss ich hier- und glauben Sie mir, das macht mir sogar Spaß – darauf hinweisen, dass im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD das Ergebnis dieses vermeintlich offenen und fairen Verfahrens schon im Dezember, also lange vor der Wahl, festgelegt wurde.

Das Fell des Bären wurde längst geteilt. Denn im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, ich zitiere:

„Im Falle des Nichterreichens des Quorums in der Stichwahl […] die Koalition unter Berücksichtigung des Stichwahlergebnisses auf eine Kandidatin/einen Kandidaten aus der Koalition“ einigt.

Allein, dass schon Monate vor der Wahl von der politischen Mehrheit im Kreistag (CSPDU) faktisch festgelegt wurde, wer unter welchen Konditionen Landrat wird, ist für mich ein Schlag ins Gesicht der Demokratie.

[Den folgende Teil der Rede konnte der Abgeordnete aus den geschilderten Gründen nicht mehr vor dem Parlament halten]

Vielleicht erklärt sich ja auch daraus der doch sehr zurückhaltende und informationsarme Wahlkampf.

Glücklicherweise haben wir mit dem Koalitionskandidaten einen erfahrenen Verwaltungspraktiker. (Hätte ja auch anders kommen können.) Ob er aber tatsächlich besser als die anderen Kandidaten geeignet ist? Das wäre heute zu prüfen, spielt aber nach dem Koalitionsvertrag eigentlich keine Rolle mehr. Denn die Koalition verfügt ja über eine sehr komfortable Mehrheit.

Dass aber darüber hinaus im Koalitionsvertrag faktisch dezidiert geregelt ist, welchen Parteien die Beigeordneten nahe zu stehen haben, ist mehr als spannend. Denn die Koalition hat ja nicht nur geregelt, welche Partei den Landrat stellen wird. Sie hat auch geregelt, dass die Positionen des Ersten Beigeordneten von der CDU, des zweiten Beigeordneten von der SPD und des dritten Beigeordneten wiederum von der CDU vorgeschlagen und damit fachtisch auch entsprechend besetzt wird. Zitat:

„Wenn der neugewählte Landrat/die neugewählte Landrätin aus einer der Parteien der Koalition kommt, werden die Beigeordneten im Wechsel zwischen der anderen Koalitionsfraktion und der Landratsfraktion vorgeschlagen.“

Hier verstößt der Koalitionsvertrag eindeutig gegen die Hauptsatzung des Kreises. Für die Kollegen der SPD und der CDU weise ich gerne noch einmal auf § 20 der Hauptsatzung hin. Hiernach wählt der Kreistag zwar die drei Beigeordneten. Allerdings auf Vorschlag des Landrates und nicht auf Vorschlag einer Koalition.

SPD und CDU legen also im Vorfeld vertraglich fest, in welchem Parteiproporz der Landrat nun die Beigeordneten vorzuschlagen habe. Es kommt wohl nicht auf die fachlichen und menschlichen Qualitäten, sondern offensichtlich ausschlaggebend auf die Parteiaffinität an.

Der Landrat wird hier meiner Meinung nach in absolut unzulässiger Weise in seiner unabhängigen Amtsausübung durch die politische Mehrheit im Kreistag beeinträchtigt. Frei nach dem Motto: „Wir wählen dich, aber dafür machst du auch was wir sagen“. Das, meine Damen und Herren, ist klassischer Parteienfilz.

Das ist der Grund, weshalb ich Mitglied der Piratenpartei bin. Weil ich, genau wie die vielen Nichtwähler, endlich wieder bürgerorientierte und filzfreie, transparente Politik möchte.

Die Piratenpartei war so frei, Ihnen allen noch mal ein Exemplar des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung zu stellen. Vielleicht schauen die Kolleginnen und Kollegen der CDU und SPD da mal rein, unter dem Stichwort Gewaltenteilung. Das ist eine der wesentlichen Säulen unserer Demokratie.

Den Bewerberinnen und Bewerbern wünsche ich trotzdem viel Erfolg bei ihrer Bewerbung.

Vielen Dank!

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